Die Ibiza Affäre_Sky Original

„Die Ibiza Affäre“: Warum faszinieren uns wahre Geschichten so?

Bei Sky ist gerade die Miniserie „Die Ibiza Affäre“ gestartet. In vier Folgen beleuchtet sie die Hintergründe des Ibiza Videos, das im Mai 2019 für einen riesigen Skandal sorgte und den damaligen österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache zu Fall brachte.

Die Serie ist eine von vielen im Programm des Seriencamps 2021, die sich mit wahren Begebenheiten beschäftigt und darum haben wir uns mit den beiden Drehbuchautoren Florian Iwersen und Stefan Holtz darüber unterhalten, warum diese Serien so einen besonderen Reiz für uns haben.

Die Ibiza Affäre ist ja noch relativ frisch – gerade mal 2,5 Jahre liegen zwischen der Veröffentlichung des Skandalvideos von H.C. Strache, seinem Parteifreund Johann Gudenus und der erfundenen Oligarchin auf der Finca in Ibiza und dem Serienstart. Das ist für solche Verfilmungen eher unüblich. Wann habt ihr euch an diesen Stoff ran gewagt?

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Florian Iwersen: Bei so einer Geschichte ist es immer schwierig abzuwarten, wenn einem so eine reale Steilvorlage geboten wird. Und es hat uns natürlich von vornherein sehr interessiert. Auch wenn uns bewusst war, dass sich noch viele Ereignisse und Informationen und alles was mit den Zusammenhängen zu tun hat, dass sich das noch richtig entblättern würde, war es natürlich sehr reizvoll sich dieser Aufgabe zu nähern. Aber das haben wir dann auch sehr vorsichtig getan.

Stefan Holtz: Uns hat der Produzent kontaktiert und der stand eben in Kontakt mit Sky und da ist die Idee aufgekommen. Uns war zu dem Zeitpunkt bewusst, dass es noch sehr früh war. Da war noch sehr wenig bekannt. Die dramaturgische Arbeit war dann eben auch das Entblättern der einzelnen Quellen oder der einzelnen Sachen, die man nach und nach recherchieren konnte, oder ans Licht gekommen sind.

Und vor allem entwickelt sich die Geschichte ja noch weiter, es ist ja kein abgeschlossener Fall. Gerade steht in St. Pölten der Detektiv Julian H. vor Gericht. Wie geht man als Drehbuchautor mit dieser Ungewissheit um?

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Stefan Holtz: Das ist noch nicht abgeschlossen, in der Tat. Der Detektiv, der gemeinsam mit dem Anwalt dieses Video erstellt hat, ist verhaftet worden – aber nicht wegen des Videos. Sondern ihm wird vorgeworfen, mit Drogen gehandelt zu haben und das ist noch offen. Da gab es jetzt schon zwei Prozesstage (Stand 22.10.2021) und inwieweit das halt mit dem Video zu tun hat, oder nicht zu tun hat, das wird sich noch zeigen, je nachdem wie der Prozess ausgeht.

Aber als wir angefangen haben mit der Regie zu arbeiten, und es in den Dreh ging, konnten wir noch am Drehbuch arbeiten und auch Änderungen vornehmen. Da war die Ibiza Lage – also, wer das Video gemacht hat, unter welchen Umständen, wie die zusammengekommen sind auf der Finca, wie Strache und Gudenus nach Ibiza gekommen sind - das war da eigentlich schon relativ klar.

Jetzt ist das ja ein super komplexer Stoff, der sich über sehr viele Jahre hinweg zieht. Das sieht man dann auch in der ersten Folge, die durch viele Zeitebenen springt und uns mit vielen Beteiligten konfrontiert. Wie habt ihr dieses Geflecht für euch erstmal entwirrt und wie habt ihr dann diese Struktur für euch gefunden?

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Florian Iwersen: Es war natürlich von Anfang an klar, dass die Arbeit der Journalisten hoch spannend war. Die haben sehr viel Aufklärungsarbeit geleistet. Wir mussten eine Struktur für die Serie und für die Folgen finden und uns war auch klar, dass das nicht chronologisch passieren kann. Und dafür mussten wir uns etwas überlegen, auch weil es eine Fülle an Personen waren. Wo man sich auch dann in der Recherche – die wir sehr ausgiebig betrieben haben – für einige entscheiden musste, die für uns am Besten die Geschichte transportiert. Und da hat sich relativ schnell herausgestellt, dass das nicht chronologisch sein kann, sondern im Prinzip einer gewissen Dramaturgie, der Erzählweise folgen muss. Und dafür mussten wir uns natürlich auf eine bestimmte Personenzahl reduzieren.

Im Vergleich zu Verfilmungen folgt das wahre Leben in der Regel ja keiner festen Dramaturgie, die es aber ja für eine Serienfolge oder Staffel braucht. Wie habt ihr dieses Problem bei der Ibiza Affäre für euch gelöst?

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Stefan Holtz Der Grundstoff hatte schon so viele spannende Elemente. Die sind teilweise skurril, aber für die Hauptfiguren teilweise auch gefühlt bedrohlich. Da war eigentlich genug Material da, dass die Realität groß genug ist, um sie zu erzählen. Was wir aber angenehm finden, wenn man jetzt an so einer Geschichte arbeitet, ist dass es eben auch Leerstellen gibt. Normalerweise, wenn es Leerstellen im Buch gibt, dass man nicht immer weiß, warum eine Figur etwas macht, dann kommt von allen Seiten die Frage: warum macht die Figur das, ich verstehe die Figur nicht? Hier war's auch mal angenehmen, zu sagen: Das wissen wir nicht, es gibt auch eine Leerstelle und ein Geheimnis in der Figur. Ich finde, das tut Figuren auch oft gut, dass man nicht immer versucht alles bis ins kleinste Detail zu erklären.

Direkt am Anfang der Serie wird ein Hinweis eingeblendet, dass einige Figuren und Handlungsstränge erfunden sind. Wie weit darf man sich von der Realität entfernen, damit es noch eine wahre Geschichte bleibt?

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Stefan Holtz: Wir haben uns eigentlich am Ablauf der Realität orientiert. Aber zum Beispiel wie sich der Detektiv und der Anwalt kennengelernt haben, das hat in echt über einen längeren Zeitraum stattgefunden, über mehrere Treffen. Da haben wir dann dramatisiert und fiktionalisiert, und es zeitlich zusammengelegt. Aber wenn man sich die ganzen Steps anschaut, ist das eigentlich der Ablauf gewesen, zumindest das, was man wissen konnte und was wir wissen. Manchmal sind natürlich auch Figuren so fiktionalisiert, dass wir gesagt haben, diese Figur steht jetzt nicht so in der Öffentlichkeit wie z.B. Strache, da haben wir dann die Figur verändert.

Waren das Diskussion, die ihr dann auch geführt habt, wie weit man die Dinge verfremden kann?

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Stefan Holtz: Also wir wurden natürlich von Anfang an von Juristen beraten und komplett begleitet. Von Beginn an, eigentlich von der Treatment-Phase an, haben die alles mal gelesen und drauf geschaut. Das ist immer der Spagat zwischen: was ist öffentliches Interesse und in der Öffentlichkeit bekannt und was muss man dem unterordnen. Auch letztendlich, um den Ablauf darstellen zu können.

Das heißt, im Vorfeld mussten die rechtlichen Rahmenbedingungen erstmal geklärt werden – auch was die Persönlichkeitsrechte betrifft, nehme ich an.

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Stefan Holtz: Also für die Produktion gibt es da viel zu klären, in der Tat. Das simpelste Beispiel ist da natürlich, dass sich die Produktion die Rechte besorgt hat an dem Buch der beiden Journalisten und auch die beiden Journalisten in die Arbeit eingebunden hat, so dass wir mit denen sprechen konnten. Dann gab es noch weitere Dinge, die die Produktion da vertraglich klären musste, aber da haben wir keinen Einblick.

Florian Iwersen: Es war ja auch eine sehr lange Entwicklungszeit von den Drehbüchern. Und eine Zeit lang war gar nicht klar, inwieweit wir mit den Namen der beiden Videoersteller umgehen können – also, ob die Namen des Anwaltes und des Detektivs genannt werden dürfen oder nicht. Da war es natürlich dann sehr schön, dass die mediale Aufarbeitung des ganzen Falls rund um „Ibiza“ es dann schließlich erlaubt hat. Weil das natürlich auch noch enorm zur Glaubwürdigkeit beigetragen hat und auch ein wichtiger Bestandteil der Geschichte ist. Wäre das nicht so gewesen, hätten wir auch diese beiden Namen nicht nennen dürfen.

Bringt die Zusammenarbeit mit Journalisten auch Herausforderungen mit sich? Die blicken sicherlich ganz anders auf ihre Recherche, als Drehbuchautoren auf ihren Stoff.

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Stefan Holtz: Da haben uns die beiden Journalisten der Süddeutschen Zeitung, Bastian Obermayer und Frederik Obermaier, eigentlich vertraut. Was ihnen halt immer sehr wichtig war, war natürlich Quellenschutz und dass das alles so aufgearbeitet wird, was in ihren Bereich als Journalisten fällt, sauber da steht. Aber es war ihnen bewusst, das es eine fiktionale Serie ist.

Florian Iwersen: Wir standen natürlich vor der Aufgabe, etwas, was im Buch steht, etwas sehr sachliches in eine Form zu bringen, die den Zuschauer unterhält. Und das ist natürlich ein Spagat, den du in einem Drehbuch leisten musst: Zum einen, dich möglichst daran zu halten, was in der Wirklichkeit passiert ist und zum anderen die Leerstellen, die Stefan genannt hat, so zu füllen, dass sie für die Geschichte Sinn machen und am Ende den Zuschauer im besten Fall unterhalten. Das ist unser Ziel – bei aller Recherche, die wir auch geleistet haben, muss das natürlich auch im Vordergrund stehen und ist auch zum Beispiel durch die Arbeit des Regisseurs, Christopher Schier, extrem gut gelungen, wie wir finden.

Wir beobachten dieses Jahr beim Seriencamp Festival 2021 einen Boom an Serien, die auf wahren Begebenheiten beruhen – und auch bei uns selbst eine gewisse Faszination dafür: diese Geschichten haben ein besonderes Gewicht, weil sie wirklich passiert sind und bewegen uns dazu, uns mit dem Thema auseinanderzusetzen. Was fasziniert euch daran?

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Stefan Holtz: Das finde ich auch – wenn ich weiß, dass etwas passiert ist, dann hat es auch eine gewisse Größe und ich schaue es anders, interessierter an. Für den Sender und die Produzenten ist natürlich auch ein Punkt, dass eine Grundaufmerksamkeit da ist, auch wenn es zeitgeschichtlich groß und interessant ist. Aber wir beobachten das interessanterweise auch bei unserer fiktionalen Arbeit. Wir schreiben ja auch viele Krimis, z.B. den Tatort. Und auch da ist es immer gut als Autor Beispiele aus der Realität zu haben. Es ist immer schwer, wenn ich als Autor was komplett eigenes überlege und diesen Verlauf schreibe, heißt es immer: Das glaube ich nicht, das kann ja nicht sein! Wenn man das dann mit echten Kriminalfällen abgleichen kann, hilft es wahnsinnig beim Schreiben. Das ist wahrscheinlich international so, aber gerade im deutschen Fernsehen was den Krimi angeht, gibt es schon immer viel Bodenhaftung und einen sehr starken Bezug zur Realität.

Florian Iwersen: Du kannst es auch andersherum sehen. Wenn wir uns jetzt eine Geschichte, in dem Fall die der Ibiza Affäre, ausgedacht haben und wären mit der zu einem Sender, oder zu einer Produktion gegangen, damit wären wir niemals durchgekommen. Die absurden Voraussetzungen kannst du dir nicht ausdenken – also man kann es sich natürlich ausdenken, aber es würde wahrscheinlich niemand umsetzen wollen. Wenn du so unfassbare Situationen hast, die dir die Realität bietet, dann ist es natürlich ein großer Spaß damit zu arbeiten, weil auch so, wie Stefan sagt, man sich eben auf eine reale Situation beziehen kann. Und das bietet manchmal Möglichkeiten, die du als Autor, wenn du dir was fiktionales selber ausdenkst, gar nicht bekommst.

Wenn man diese wahren Geschichten noch mal dramatisiert vorgesetzt bekommt, vermitteln die einem die realen Abläufe auf einer ganz anderen Ebene, als z.B. die Nachrichten. Spielt das auch mit rein, dass diese Geschichten beim Publikum so beliebt sind?

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Stefan Holtz: Das kommt wahrscheinlich auch jetzt auf die wahre Geschichte an. Hier bei der Ibiza Affäre ist sicherlich dieses multiperspektivische Rangehen noch mal wirklich ein Aspekt. Wenn ich das dann auf vier Folgen sehe, diese geballte Information von verschiedenen Perspektiven heraus erzählt, so dass man nochmal ein komplett neues Bild bekommt, obwohl ja alles bekannt ist. Aber es gibt wohl auch wahre Geschichten, die sehr stark im Drama liegen und einer Figur folgen, wo es dann wirklich um starke Emotionalisierung geht und nicht um dieses gesamte Bild. Sorum kann es auch funktionieren.

Was macht denn aus eurer Sicht eine gute wahre Geschichte aus, im Hinblick auf eine Verfilmung. Also was eignet sich da, und was eignet sich zum Beispiel überhaupt nicht?

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Stefan Holtz: Ich glaube, dass kann ich so allgemein gar nicht sagen. Wie gesagt, es gibt Geschichten, die sind so zeitgeschichtlich und so groß, so nah auch an uns dran, wie zum Beispiel „Die Ibiza Affäre“. Das ist interessant aufzuarbeiten. Aber für mich als Autor, wenn ich jetzt nicht die große Bühne und die große Aufmerksamkeit brauche, finde ich es ja auch total spannend kleine Geschichten nachzuerzählen, die nicht so bekannt sind.

Florian Iwersen: Wie alles im Leben hat das sehr viel mit dem persönlichen Empfinden zu tun. Es kann auch eine sehr kleine Geschichte sein, die wirklich nur wenige Menschen betrifft und die auch gar nicht so sehr in der Öffentlichkeit war. Aber wenn man sich dann einer Geschichte nähert und Kleinigkeiten entdeckt, also etwas, was die handelnden Personen für dich als Autor auf einmal sehr persönlich und griffig macht, so dass du wie im echten Leben eine persönliche Bindung entwickelst – dann beginnt die Geschichte auch für dich selber zu leben. Das kann eine kleine Geschichte sein, oder in dem Fall so eine große Geschichte, wie „Die Ibiza Affäre“.

„Die Ibiza Affäre“ ist bei Sky Ticket abrufbar. Im Seriencamp Watchroom könnt ihr ab dem 11.11. schon mal die erste Folge anschauen – kostenlos! Hier geht's zum Programm . Und für den Watchroom könnt ihr euch hier anmelden

Im Seriencamp Podcast SEHR SEHR SERIEN geht’s diese Woche um die Faszination wahrer Geschichten und die Serien aus dem Watchroom Programm, die auf True Stories basieren.

IbizaAffäre
Die Ibiza Affäre

ab 21.10. bei Sky

Um was geht es?

Der österreichische Vizekanzler, eine angebliche russische Oligarchin, ein Privatdetektiv und jede Menge Koks: Wie aus einem Partyinsel-Treffen eine Staatsaffäre wurde.

Wo kann ich's anschauen?

ab 21.10. bei Sky